18.05.2020
Emotionale Intelligenz – Auszubildende „fühlend“ führen
Drei Schritte für eine gelungene Beziehung zwischen Ausbilder und Auszubildenden
Von Jutta Mohamed Ali
Wurde früher häufig ein Test zur Ermittlung des Intelligenzquotienten (IQ) durchgeführt, der das logische Denken misst, rückt heutzutage die emotionale Intelligenz (EI) in den Vordergrund. Was ist damit gemeint? Sollen Ausbilder jetzt auch noch Gefühlsduselei in die Ausbildung einbringen? Mitnichten! Aber Sie führen Auszubildende und Mitarbeiter leichter, verständnisvoller und achtsamer, wenn Sie verstehen, aus welchem Gefühl heraus Reaktionen erfolgen, Konflikte entstehen und Motivation gesteigert wird.Doch was genau ist unter dem Begriff „emotionale Intelligenz“ zu verstehen? Einen hohen emotionalen Quotienten (EQ) zu haben, bedeutet, die „echten“ Gefühle bei sich selbst und bei den Anderen zu sehen und wahrzunehmen, sie zu verstehen, vielleicht ihre Herkunft nachvollziehen zu können, und sie steuern und beeinflussen zu können. Das Konzept gewann vor allem durch den US-amerikanischen Psychologen und Wissenschaftsjournalisten Daniel Goleman an Bekanntheit.
Stark vereinfacht lässt sich sagen: Unser sogenannter Mandelkern im Gehirn, unsere Amygdala, ist der Sitz unserer Gefühle. Und ursprünglich sitzen dort die zwei Grundgefühle, die wir Menschen schon mit sehr viel weniger entwickeltem Gehirn vor zehntausenden von Jahren hatten, nämlich Angst und Freude/Liebe.
Diese zwei Grundgefühle sind immer der Auslöser weiterer Emotionen und diese Emotionen steuern wiederum unsere Aktionen und Reaktionen. Aktionen und Reaktionen aus der Freude heraus, z.B. über Erfolge, über Lob und Anerkennung, oder einfach aus Spaß, Interesse und Neugier sind Motivatoren, die uns zu Höchstleistungen antreiben. Angst vor Strafe, vor Verlust des Arbeitsplatzes oder Beschneidung der eigenen Freiheit blockiert uns, hemmt die Kreativität und mindert so unsere Leistungsfähigkeit.
Daher ist ein guter EQ als Führungskraft und als Ausbilder ein wichtiger Faktor, um die psychische Gesundheit und damit die Leistungsfähigkeit von Auszubildenden und Mitarbeitern positiv beeinflussen zu können.
Schritt 1 – Emotionen verstehen
Wahre Erkenntnis beginnt immer bei sich selbst: Wer Emotionen bei sich selbst erkennt, und zwar die wahren, zugrunde liegenden Gefühle, dem fällt es auch leichter, sie bei anderen wahrzunehmen und zu verstehen. Die (emotionale) Selbstwahrnehmung ist also der erste Schritt, wenn es um die Verbesserung der emotionalen Intelligenz geht. Ist Wut einfach nur Wut? Nein, auch sie basiert auf Ängsten: Ich bin wütend, weil ich Angst habe in meiner Freiheit eingeschränkt zu werden, oder aus Angst etwas zu verlieren z.B. meinen Arbeitsplatz, oder ich habe Angst nicht wertgeschätzt und respektiert zu werden. Wenn ich das verstehe und hinterfrage, fällt es mir auch leichter, „negative“ Reaktionen bei anderen als Angst zu begreifen und ihr zu begegnen. Emotionale Intelligenz sorgt dafür, dass Sie Ihre Kommunikation entsprechend anpassen und Eskalationen verhindern können. Umgekehrt können Ausbilder, die erkennen und wahrnehmen, wann eine Tätigkeit oder eine Aufgabe beim Azubi Freude auslöst, z.B. durch mehr Verantwortung, durch eine erfolgreiche Problemlösung o.ä., Lernmotivation gezielt fördern. Was gut tut und was gut gelingt, von dem mache mehr!
Aber wie gelingt es, diese emotionalen Schwankungen besser zu erkennen, wahrzunehmen und zu verstehen? Eine Empfehlung für Ausbildungspersonal ist, sich mit Coachingmethoden, Psychologiegrundwissen und dem Erlernen von Körpersprache und Mimik zu beschäftigen. Schon der amerikanische Psychologe und Kommunikationsexperte Paul Watzlawik sagte: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“ Wer als Ausbilder auch körperliche und mimische Emotionen interpretieren kann, dem gelingt emotionales Führen leichter.
Gefühle entstehen aber auch durch erlernte Überzeugungen und Glaubenssätze. Viele Menschen „fühlen“ sich überfordert mit Logik und Zahlenwerken, weil ihnen irgendwann in der Kindheit vermittelt wurde, sie seien für Mathematik nicht intelligent genug. Und schon glauben sie, für Bereiche wie Controlling oder Rechnungswesen nicht gut genug zu sein. Gerade hier können gut strukturierte digitale Formate wie die Lernplattform GEORG wunderbar unterstützen: In einfach erklärten Tutorials, die immer und immer wiederholt werden können, können Auszubildende erkennen, dass fachliche Themen, vor denen sie bisher aus Angst zurückgeschreckt sind und auf die sie emotional negativ reagiert haben, im Endeffekt doch leicht zu verstehen sind.
Auf gleichem Wege können so digitale Formate über Psychologie, Coaching, Lernprozessbegleitung, Kommunikationsstrukturen etc. Ausbilder und Führungskräfte dabei unterstützen, emotionale Prozesse zu verstehen. Die Fähigkeit, die emotionale Intelligenz zu nutzen und dadurch Menschen mit deren unterschiedlichen Beweggründen zu verstehen, bringt Menschen nicht nur beruflich weiter.
Schritt 2 – Emotionen steuern und nutzen
Das klingt nach Manipulation und ist prinzipiell auch genauso gemeint. Doch die Rede ist hier nicht vom „positiven Denken“ oder „affirmieren“. Der Prozess der Bewusstwerdung, dass Reaktionen auf Ängsten oder Freude beruhen, verändert den Fokus. Statt aufkommenden Ärger zu bekämpfen, kann die Situation mit dem Wissen um Emotionen hinterfragt werden und bei jedem bewussten Hinterfragen beginnt bereits der Lösungsprozess. Wer den Auslöser für Freude und Spaß am Lernen bewusst wahrnimmt, kann Azubis noch besser motivieren und wer hinter Fehlverhalten Ängste wahrnimmt, der kann helfen, sie aufzulösen.
Hier wird deutlich, dass emotionale Intelligenz eng mit der Fähigkeit zu guter Kommunikation verknüpft ist: Nur wenn Ausbilder fähig sind, situations- und personenspezifisch angemessen mit ihren Azubis Gespräche zu führen, wird sich ein Vertrauensverhältnis aufbauen, in denen auch über Gefühle gesprochen werden kann.
Dazu gehört aber auch, mit Auszubildenden langfristige Perspektiven und Kompetenzen zu entwickeln, um kurzfristige, positive Emotionen vielleicht bewusst nicht auszuleben, um sie später als langfristigeren und nachhaltigeren Effekt noch besser ausleben zu können. Beispielsweise bei der Prüfungsvorbereitung: kurzfristige Lernerfolge im Sinne von „Bulimie-Lernen“ (für eine Prüfung lernen und danach vergessen) nutzen wenig, wenn das Gelernte nicht langfristig als Kompetenz für zukünftig anspruchsvollere Aufgaben als Basiswissen zur Verfügung steht. Auch hier bieten digitale Lernplattformen wie GEORG Möglichkeiten, kurzfristige Lernerfolge bei einzelnen Lerneinheiten durch stetige Wiederholung mit nachhaltigem Kompetenzerwerb zu verknüpfen.
„Manipulation“ von Emotionen hat in diesem Zusammenhang auch eine Menge mit Resilienz zu tun: Wer sich seinen eigenen Gefühlen nicht mehr ausgeliefert fühlt, sondern in der Lage ist, sie bewusst zu durchleben und gleichzeitig selbst zu hinterfragen, woher diese kommen, wird langfristig besser in der Lage sein, sie zu akzeptieren. Schwierige Lebenssituationen, gerade auch im Beruf, können dadurch besser gemeistert werden. Die emotionale Intelligenz bei Menschen zeigt sich in der Fähigkeit, die eigenen Emotionen steuern zu können, was dann wiederum zu einem besseren Umgang mit Stress führt.
Schritt 3 – Emotionen empathisch in Beziehungen anwenden
Emotionale Intelligenz in der Führung von Mitarbeitern und Auszubildenden heißt dementsprechend aber auch, sich auf die Gefühle des Gegenübers einlassen zu wollen, zu können und offen dafür zu sein. Damit sind auch Individualkompetenzen wie Offenheit, Toleranz und Empathie Bestandteile emotionaler Intelligenz, genauso wie eine angemessene Reaktion und Kommunikation auf Emotionen.
In beruflichen Beziehungen wird es damit aber auch immer um den richtigen Umgang mit Emotionen gehen. Nur Verständnis zu zeigen reicht nicht. Das Konzept der emotionalen Intelligenz schließt auch Fähigkeiten wie die Kontrolle der eigenen Gefühle mit ein. Diese Kompetenz ist gerade für Führungskräfte in Unternehmen wichtig. Beispielsweise kann es einem Trauernden im ersten Moment helfen, an der Trauer Anteil zu nehmen. Führungskräfte sollten verständnisvoll auf die emotionale Situation reagieren, aber trotzdem auch Interventionen einleiten, die darauf abzielen „abzulenken“, also den Fokus zu verschieben, ohne dass der Trauernde das Gefühl hat, seine Trauer wird übergangen und nicht wahrgenommen. „Fingerspitzengefühl“ ist hier das Zauberwort. Der Erfolg eines Unternehmens hängt stark mit den Menschen zusammen, die dort arbeiten. Emotionale Intelligenz, die Fähigkeit mit den Gefühlen von Anderen umgehen zu können, sie bewusst wahrzunehmen und zu steuern, trägt maßgeblich zur Ausbildung verantwortungsvoller Mitarbeiter und Führungskräfte bei.
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