Lernen auf Lebenszeit

Wenn lebenslanges Lernen mehr als eine leere Floskel bleiben soll, sind alle Berufstätigen gefordert. Doch wie sehen diese neuen Anforderungen aus?

Lernen auf Lebenszeit: Neue Anforderungen für die Beschäftigten

Wenn lebenslanges Lernen mehr als eine leere Floskel bleiben soll, sind alle Berufstätigen gefordert. Von ihrer Bildungsbereitschaft hängt künftig der wirtschaftliche Erfolg in Unternehmen ab. Workplace Learning bietet den unmittelbarsten Zugang zu Bildung. Um die vielfältigen Möglichkeiten bestmöglich zu nutzen, benötigen Arbeitnehmer eine Reihe neuer Kompetenzen.

Dass Beschäftigte eine hohe Weiterbildungsbereitschaft haben und gerne die Initiative ergreifen, haben sie nicht zuletzt in der jüngsten Vergangenheit bewiesen: Seit Beginn der Pandemie im März 2020 hat knapp ein Drittel von ihnen mehr Arbeitszeit in Weiterbildung investiert als je zuvor. Größtenteils handelte es sich um kostenlose Online-Seminare, Workshops und Webkonferenzen. 

Die Zufriedenheit mit den Angeboten war indes durchwachsen. Nicht immer gelang es, genau das Angebot auszuwählen, das zu den individuellen Bedürfnissen, der Zielsetzung und dem persönlichen Wissensstand passte. Die Ursache ist klar: Der Weiterbildungsmarkt wächst rasant und wird dadurch zunehmend komplexer. Unter den vielfältigen Inhalten, Methoden und Kanälen, das richtige Programm zu identifizieren, erfordert Überblick, Erfahrung und Marktkenntnisse. Und noch etwas zeichnet sich ab: Auch Lernen muss neu gelernt werden. Für Arbeitnehmer wird es dabei zunehmend wichtig, sich in drei Kompetenzfeldern souverän bewegen zu können:

Persönliche Kompetenzen: Das Mindset anpassen 

Die Ausbildung im Betrieb oder in der Hochschule abschließen, eine Prüfung meistern und sich dann ausgelernt auf die Karriere bis zur Rente verlassen – das war vielleicht einmal. So wird nicht nur die stetige Weiterqualifizierung während des gesamten Berufslebens von steigender Relevanz sein - Personaler und Führungskräfte haben zudem den Anspruch, dass die Mitarbeiter selbst die Verantwortung für das eigene Lernen übernehmen und so selbst dafür sorgen, dass dieses auch erfolgreich funktioniert. Es ist also notwendig, dass sich Mitarbeiter als Manager der eigenen Weiterbildung verstehen. Dazu gehört, passende Bildungsangebote zu identifizieren und auszuwählen, die zeitlichen Ressourcen richtig einzuteilen – und rechtzeitig um Hilfe oder Beratung zu bitten, wenn man alleine nicht weiterkommt. Indem Workplace Learning am Arbeitsplatz geschieht, ist ein tieferes Verständnis dafür wichtig, dass Lernen untrennbar zur Arbeit gehört. Der abwartende Charakter hat damit ausgedient, die moderne Arbeitswelt verlangt nach sich proaktiv um Entwicklung bemühende Protagonisten, die sich mit hoher Eigeninitiative eigene Ziele setzen und wissen, wie man diese erreicht.

Technische Kompetenzen: Den inneren Tecki rauslassen 

Da viele Trends im Bereich des Workplace Learning digital geprägt sind, ist es unerlässlich, weiter an den eigenen technologischen Kenntnissen zu arbeiten. Software, Apps und Sprachsteuerungen werden zum neuen Zettel und Stift. Verstehen, welche Möglichkeiten künstliche Intelligenz und digitale Coaches bieten, ist das eine. Das andere ist der praktische Umgang mit ihnen: Wer auf einer Vielzahl von Bildungsplattformen einen Account besitzt, benötigt etwa ein systematisches Upgrade- und Passwort-Management. Wer eine Praxisstunde per VR gebucht hat, muss zuvor die Datenbrille kalibrieren können. Der Umgang mit Technologie bestimmt künftig, wie nachhaltig Weiterbildung wirkt. Da Wissenserwerb zunehmend kollaborativ stattfindet, steigt außerdem der Anspruch an die Kommunikationsfähigkeit – auch in einer digitalen Umgebung. Medienkompetenz rundet das für die digitale Weiterbildung notwendige Portfolio ab: Sie leistet Lernenden in der Rolle als Empfänger und Absender wertvolle Dienste. Denn, indem Wissen geteilt, ergänzt und aktualisiert wird, verschwimmen die Grenzen zwischen Rezipienten, Mentoren und Content-Produzenten.

Inhaltliche Kompetenzen: Auf dem Weg zur begehrten Fachkraft 

Erst die persönliche Kompetenz und die dazugehörigen Soft Skills sowie das Beherrschen des gesamten Werkzeugkoffers inklusive Technologie-, Medien- und Kommunikationskompetenz verhelfen Beschäftigten zur Fachkompetenz. Wer über sie verfügt, wird sich seinen Arbeitgeber aussuchen können, in Unternehmen flexibel einsetzbar sein und sich als Selbstwirksam erleben. Damit dies so bleibt, ist ein kontinuierliches Nachjustieren des eigenen Wissensstands notwendig. Berufsbilder verändern sich in rasantem Tempo, neue Berufe kommen hinzu, Lebensläufe verlieren ihre Geradlinigkeit, gleichzeitig steigt die Lebensarbeitszeit. Wer gestern noch als Ingenieur mit Spezialkenntnissen in Solartechnik ins Berufsleben gestartet ist, muss sich heute vielleicht mit Wasserstoff oder chemischem Kunststoffrecycling beschäftigen. Nicht jedes Fachwissen lässt sich künftig über die oft kleinteiligen Module des Workplace Learning aneignen. Aber gemeinsam mit Seminaren, Kursen und Lehrgängen bildet lösungsorientiertes, flexibles und personalisiertes Lernen am Arbeitsplatz den Grundstock für wirtschaftlichen und persönlichen Erfolg.

Der Mensch in seiner Beta-Version

Lebenslanges Lernen entscheidet über nicht weniger als die Beschäftigungsfähigkeit von Menschen. Diese zu fordern und zu fördern, liegt im Interesse der Beschäftigten selbst, aber natürlich auch in dem der Unternehmen. Wer von Natur aus neugierig ist, sich Offenheit bewahrt, auf Menschen zugehen und ihnen zuhören kann, wird im Vorteil sein. Ein solcher Typus, der sich beruflich wie privat als lernende Persönlichkeit begreift, wird erfahren, dass Lernen umso leichter fällt, je besser es in Form und Inhalt zu den eigenen Stärken passt. Der Umstand, sich nie ausgelernt zu fühlen, wird ihn anspornen statt betrüben. Die Vorstellung von sich selbst als Mensch in einem ständigen Beta-Stadium, unterwegs zur nächsten, besseren Version seiner selbst, schreckt ihn nicht. Die Fähigkeit zur Selbstreflexion wird damit zu einem entscheidenden Faktor: Was kann ich? Was ist mir wichtig? Wo möchte ich hin? Auf diese Fragen, unabhängig von äußeren Erwartungen, ehrliche Antworten zu finden, weist den Pfad in ein zufriedenstellendes Berufsleben.

Trotz aller Selbstständigkeit: Ein modernes Unternehmen lässt seine Mitarbeiter mit diesen Fragestellungen nicht allein. Insbesondere dem HR-Bereich ist es wichtig, den Beschäftigten  die bestmöglichen Bedingungen, die nötige Lerninfrastruktur und eine passende Beratung zukommen zu lassen. Eine Investition in Prozesse und Technologie ist eine Investition in die Zukunft des Unternehmens. Denn der Weiterbildungsbedarf steigt weiter an. Schon heute lässt sich eine Korrelation zwischen Digitalisierungsgrad und Weiterbildungsaktivitäten in Unternehmen beobachten: Je digitaler eine Organisation, desto mehr Workplace Learning und Weiterqualifizierung findet statt. Damit zeichnet sich ab: Es bleibt noch lange viel zu erlernen.

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