Interview mit Sven Göth
Erfahren Sie, über welche Kompetenzen Unternehmen verfügen sollten, um zukunftssicher aufgestellt zu sein.
Was wir heute gestalten können, ist ganz klar nur die Zukunft
Welche Kompetenzen brauchen Unternehmen, um in Zukunft ihre Mitarbeiter zu befähigen? Und wie fördern Sie diese im Rahmen Ihres Talent Managements? Über diese Fragen haben wir uns mit Sven Göth unterhalten, Experte für Innovation, Transformation sowie die Lebens- und Arbeitswelt der Zukunft.
Sven, wie bereiten sich Unternehmen mit den richtigen Future Skills auf die Zukunft vor?
Wenn ich über die Zukunft spreche, fange ich gerne mit einem Zitat an: „Wenn nichts sicher ist, ist alles möglich.“ Dieses Zitat von Francis Paul Wilson gibt uns eine gute Grundlage für unsere Überlegungen. Ich beschäftige mich jeden Tag mit Veränderung und dem Wandel in Geschäftsmodellen und bewerte diese als sehr positiv. Wenn wir über Kompetenzen und die Zukunft sprechen, weiß ich aber auch, dass wir sehr viel mit Unsicherheiten zu tun haben. Es gibt viele Aspekte, die uns vor die Herausforderung stellen, vom Bekannten zum Unbekannten zu kommen. Wie schaffen wir es, unsere Organisation auf das vorzubereiten, was am Horizont bis jetzt vielleicht nur zu erahnen ist?
Und wie würdest du diese Frage beantworten?
Mit fünf Kompetenzen, die nachweislich dazu führen, dass Organisationen einen Veränderungsprozess erfolgreicher absolvieren wie zuletzt in der Pandemie. Sofern die Organisationen auch über diese Kompetenzen verfügen.
"Ohne Innovation ist jedes Geschäftsmodell endlich."
Welche fünf Kompetenzen sind das?
Die erste Kompetenz ist die Innovationsfähigkeit. Denn ohne Innovation ist jedes Geschäftsmodell endlich. Das Gute: Innovation kann durch Vorstellungskraft aktiviert werden. Und Vorstellungskraft ist etwas, was Organisationen anregen können.
Wie genau können Organisationen dies bewerkstelligen?
Wir bewegen uns in einem Spannungsfeld zwischen Dingen, die wir wissen, Dingen, von denen wir wissen, dass wir sie nicht wissen und sehr vielen Dingen dort draußen, von denen wir nicht einmal etwas ahnen. Die Frage ist, wie sich Organisationen mit diesem Spannungsfeld auseinandersetzen und darin neue Themen entdecken. Nehmen wir das Beispiel 3D-Druck. Eigentlich weiß jeder, dass man Ersatzteile drucken kann. Manche wissen vielleicht, dass wir bereits einen ganzen Schuh drucken können, wie es Adidas bereits vorgemacht hat. Was sie aber vielleicht noch nicht mitbekommen haben, ist, dass sich bereits heute Organe des menschlichen Körpers funktionstüchtig drucken lassen, in einem verhältnismäßig einfachen Prozess. Das konnte nur aufgrund von Vorstellungskraft entstehen. Die innovativsten Firmen wie Tesla legen daher Wert darauf, die Vorstellungskraft stetig anzuregen.
Welche Kompetenzen braucht es noch neben der Innovationsfähigkeit?
Auch die Digitalisierungsfähigkeit wird enorm wichtig werden. Zu überlegen, wie das eigene Unternehmen den Status quo der technologischen Möglichkeiten einsetzen kann, um seine Produkte und Services zu verbessern. Dazu muss man jedoch zunächst einmal wissen, welche Möglichkeiten es eigentlich alles gibt und wie man diese gewinnbringend einsetzen kann. Die Auswahl ist zahlreich: Metaverse-Elemente, IOT, Big-Data-Elemente, künstliche Intelligenz, aber auch Automatisierung. Und das ist nur ein Bruchteil wirklich interessanter Technologien. Quantencomputing ist ebenfalls so ein Beispiel: Es gibt aktuell nicht einen einzigen Sicherheitsstandard in Deutschland, der für die nächsten zehn Jahre quantensicher ist. Daher müssen sich Organisationen mit unterschiedlichen Themen auseinandersetzen, die vielleicht nicht heute und auch nicht morgen, aber definitiv in naher Zukunft relevant sein werden. Dabei haben wir es mit unfassbar vielen Veränderungsfaktoren zu tun.
Hast du ein Beispiel für einen ganzheitlichen Ansatz digitaler Technologien im Unternehmen?
Das World Food Program ist für mich in dem Punkt ein Paradebeispiel. Beispielsweise benutzen sie eine Spendenapp, bei der die Spender genau wissen, an welche Familie das gespendete Geld geht. Sie benutzen aber auch einen Iris-Scan auf der Blockchain, um das bargeldlose Bezahlen in Flüchtlingslagern zu ermöglichen, wo es Gewalt schüren könnte, Bargeld mit sich zu führen. Sie setzen also auf unterschiedliche Technologien, um mit Produkten und Services gegen Hunger vorzugehen, die Situation zu verbessern und zu adressieren. Und da geht es nicht nur darum, die Digitalisierung als Hype einzusetzen, sondern als Lösung.
"Wir werden in Zukunft ganz neu definieren, was ein Team ist und wie dieses zusammenarbeitet."
Wie steht es mit der dritten Kompetenz?
Das ist ein großes Thema, das über alle Kompetenzen hinweg zieht: die Teamfähigkeit. Wir werden in Zukunft ganz neu definieren, was ein Team ist und wie dieses zusammenarbeitet. Raum, Interaktion und Zeit können durch das Momentum der neuen Arbeitswelt ganz neu gedacht werden. Entscheidend hierfür ist die richtige Führung.
Wodurch wird gute Führung in der Zukunft beeinflusst?
Ich glaube, wir werden in Zukunft nicht mehr in einer VUKA-Welt leben, sondern in einer BANI-Welt. Das steht für Brittle (brüchig), Anxious (ängstlich), Non-linear (nicht-linear) und Incomprehensible (unbegreiflich). Die Frage ist, wie wir es schaffen, Führungskräfte, aber auch Organisationen in so einer Welt auf Veränderungen vorzubereiten. Ebenso wichtig wird das Thema der Integration. In Zukunft werden nicht mehr alle Teams nur noch aus Menschen bestehen, davon bin ich fest überzeugt. Wo kommen also humanoide Roboter und menschenähnliche Systeme hinzu? Die nicht nur im Computer dabei sind, sondern im Meeting-Raum vor Ort sitzen oder am Point of Sale bereits mitarbeiten und Kundenanfragen mit Live-Daten beantworten.
Das wird definitiv eine Auswirkung auf die Zusammenarbeit haben.
Genau. Generell wird das Thema der Kooperation aber auch sehr spannend. Ich glaube nicht, dass eine Organisation das 21. Jahrhundert allein bewerkstelligen kann. Es gilt daher, die richtigen Partner zu identifizieren. Und hierfür müssen sich Organisationen fragen, was ihr Ökosystemansatz ist. Wie möchten sie strategische Partnerschaften handhaben, was eigenentwickeln und wie wird das Hinzukaufen von Software, Menschen und Unternehmen geplant, aber auch adressiert. Hier rüsten aktuell viele Unternehmen nach – gerade große, aber auch mittlere Unternehmen.
Was bedeutet das für die Kompetenzen, die Organisationen benötigen?
Dass die Veränderungskompetenz auf keinen Fall fehlen darf. Der Status ist nicht die Antwort. Es ist extrem wichtig, dass wir das verstehen. Denn dafür müssen wir es schaffen, das Gelernte wieder zu verlernen. Für uns Menschen als Gewohnheitstiere ein sehr schwieriges Unterfangen. Gerade in Deutschland haben wir durch die Vorarbeit der letzten Jahre und Jahrzehnte eine sehr komfortable Lage, um uns aktiv damit auseinandersetzen zu können, wie wir das Morgen gestalten wollen. Das wird nur nicht so bleiben. Denn mit dem heutigen Standard werden wir es nicht mehr schaffen, die kommende Generation zu adressieren, die mit der Digitalisierung aufgewachsen ist. Die andere Werte vertritt, andere Anforderungen hat. Nähe, Sicherheit, Transparenz und werden beispielsweise ganz anders wahrgenommen.
Du sprachst vorhin von fünf Kompetenzen. Welche ist die letzte, die Organisationen für die Zukunft brauchen?
Die Verantwortungsfähigkeit, die einen großen Einfluss auf unsere Entscheidungsfindung hat. Heute wird in Organisationen mit Kennzahlen gemessen, die meist auf den Umsatz und den Fortbestand des Unternehmens einzahlen. Nicht auf Innovationen, wie viele Ideen ein Mensch einbringt oder auf welchem Weg er zur Lösung gelangt ist. Aber wie messen wir die Zukunft? Hierfür braucht es neue Kriterien.
Welche sind das aus deiner Sicht?
Oh, das liegt ganz bei den Organisationen. Denn Zukunft ist eine Frage der Perspektive. Nur dann kann ich anfangen, Dinge neu zu gestalten, neu zu denken. Und das müssen Organisationen. Denn auch wenn sie es nicht tun – Zukunft wird gemacht. Und zwar von denen, die Entwicklung treiben und mutig nach vorne gehen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Über Sven Göth
Sven Göth ist CEO & Founder des Digital Competence Labs, sowie Lektor an der FH Wien, Member of the Advisory Board bei morethandigital.info und Investor/Gesellschafter in unterschiedlichen Unternehmen.
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