GuideCom und Ausbildung.de

CEO Felix von Zittwitz über Herausforderungen im Ausbildungsmarkt

Azubis sind unsere größten Influencer für die Attraktivität der Ausbildung

Im Interview verrät Felix von Zittwitz, CEO von Ausbildung.de & Vice President Verticals bei EMBRACE, Gründe für die stetig sinkende Zahl an Auszubildenden, welche Recruiting-Kanäle heute den größten Erfolg bringen und wie die Ausbildung generell ihren Ruf wieder verbessern kann.

Felix, die Zahlen der Auszubildenden befinden sich seit Jahren auf einem absteigenden Trend. Augenscheinlich verliert die Ausbildung damit ihre Attraktivität für junge Talente. Was sind die möglichen Gründe für diese Entwicklung? 

Einer der wesentlichen Gründe ist, dass es einfach weniger junge Menschen gibt. Die Demographie ist vermutlich der größte Treiber für das Problem der sinkenden Azubi-Zahlen. Das Thema Attraktivität ist aber sicher auch ein Faktor: Studien zeigen, dass Studium und Ausbildung nicht als gleichwertige Optionen für den späteren Lebensweg oder für den Einstieg ins Berufsleben wahrgenommen werden. Gerade Gymnasiasten wird das Studium als „die eine“ Option nahegelegt.

Welche Handlungsfelder ergeben sich daraus für dich?

Wir müssen auf jeden Fall an der Berufsorientierung arbeiten, um das Mindset zu verändern; es darf nicht der Glaube bestehen, dass nur die akademische Arbeit für Abiturienten als angemessen gilt. Es gibt eine hohe Zahl an Studienabbrechern, die dann doch eine Ausbildung machen. Für viele ist das Studium eben nicht der richtige Weg. Und in Zukunft werden uns nicht die Fachkräfte aus akademischen Berufen fehlen, sondern qualifiziertes Personal aus Ausbildungsberufen. 

Der Generation Z sagt man nach, sie stelle utopische Anforderungen an ihren Arbeitgeber. Sie gelten als Freizeitmaximierer, selbstbezogen und faul. Haben wir ein falsches Bild von ihnen?

Abgesehen davon, dass dieses ganze Generationenkonzept in meinen Augen hochgradig fragwürdig ist, stimmt dieses Bild auch nicht. Und vor allem nicht nach so einschneidenden Ereignissen wie der Pandemie, dem Krieg in Europa, der Inflation, der Energiekrise und der Rezession. Es ist absolut verständlich, dass sich jemand in den späten Teenagerjahren oder seinen frühen 20er Jahren gerade sehr existenzielle Gedanken macht. Sinn und Spaß sind nach wie vor Motive, die in dieser Generation stark präsent sind, aber auch die persönliche Sicherheit steht ganz klar im Fokus. 

Mit welchen Themen können Unternehmen potenzielle Auszubildende also derzeit für eine Ausbildung begeistern und damit die Attraktivität der Ausbildung wieder steigern?

Aktuell sind es Themen wie Sicherheit und Geld. Unwichtig waren diese Aspekte nie, aber sie werden wieder relevanter – das zeigen unsere Befragungen. Ein gutes Betriebsklima ist aber nach wie vor das Top-Kriterium für Auszubildende. 
Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Zufriedenheit von Azubis mit jedem Ausbildungsjahr abnimmt. Die grundlegende Frage ist also: Wie behandeln wir eigentlich unsere wichtigsten Influencer für die Ausbildung – die Azubis in unserem Betrieb? Kommen wir ihnen mit genug Respekt entgegen? Betrachten wir sie als vollwertige Teammitglieder, die wir in ihrer Entwicklung ausreichend fördern? 

Das Problem des Job-Ghostings nimmt auch im Bereich der Ausbildung immer mehr zu. Was können Ausbildungsbetriebe hier unternehmen?

Viele Betriebe machen den großen Fehler, dass sie denken, nach Vertragsabschluss sei alles in trockenen Tüchern. Oft vergehen zwischen Unterschrift und Ausbildungsbeginn jedoch mehrere Monate ohne jeglichen Kontakt – und dann wundern sich Unternehmen, warum Azubis nicht zum Ausbildungsstart erscheinen. Das ist schade. Man konnte diese Leute durch den Bewerbungsprozess begeistern, dann lässt man sie einfach los, ignoriert sie und verliert sie in der Folge. Im Bereich Preboarding, also der Mitarbeiterbindung zwischen Vertragsabschluss und erstem Arbeitstag, liegen noch große ungehobene Potenziale.

Wie lässt sich das Preboarding erfolgreich gestalten? 

Das ist häufig simpler als gedacht. Eine Möglichkeit ist eine WhatsApp-Gruppe mit den angehenden oder auch allen Azubis zum Kontaktaustausch. Oder man veranstaltet einen gemeinsamen Grillabend zusammen mit den jetzigen Azubis. Denn nur durch Kontakt – und der sollte idealerweise persönlich sein – entsteht eine Bindung. Diese Bindung ist das Einzige, was man wirklich einem Ghosting oder der Absage entgegensetzen kann. Doch diese Bindung muss aufgebaut und gepflegt werden und geht nicht mit einem Vertragsabschluss einher.

Wie wichtig ist die Digitalisierung im Bereich der Ausbildung?

Ich glaube, es führt gar kein Weg dran vorbei, dass man durch Software-Lösungen, Prozesse professionalisiert. In vielen mittelständischen Unternehmen ist die Ausbildung der Weg, der zu den meisten Neubesetzungen führt. Hier ist der Mehrwert durch Digitalisierung besonders hoch. Und gerade im mittelständischen Bereich erleben wir einen enormen Umschwung zur Digitalisierung. Denn wer sich nicht digitalisiert, der wird in Zukunft keine jungen Menschen mehr für die Ausbildung gewinnen und sie halten können. Ehrlicherweise gibt es aber noch einiges an Nachholbedarf. 

Hast du hierzu ein konkretes Beispiel?

Etwa beim digitalen Bewerbungsprozess. Da reicht es nicht, dass die Bewerbung per E-Mail geschickt werden kann. Digital bedeutet in dem Fall auch die Prozessgeschwindigkeit. Wenn ich Bewerbungen erst einmal über zwei Wochen sammle, um dann eine Antwort zu verschicken, ist das nicht mehr zeitgemäß; im Übrigen sind in der Zeit auch schon viele Talente wieder weg vom Markt. An dieser Stelle gibt es Tools, die Unternehmen entsprechend unterstützen.

Gerade im Recruitingprozess für Azubis werden auch die Möglichkeiten auf Social-Media-Kanälen immer wieder heiß diskutiert. Wie bewertest du diese? 

Das Recruiting für diese Zielgruppe ist zugegebenermaßen schwierig. Viele glauben, dass sie die Generation Z nur über Social Media erreichen. Das ist aber ein Irrglaube. Niemand geht auf TikTok für die aktive Ausbildungssuche. Unsere Daten zeigen, dass der tatsächliche Akt der Berufsentscheidung ein sehr bewusster ist. Und das bedeutet heute: Ich setze mich an den Rechner und nutze Google und Co., um aktiv nach Ausbildungsplätzen zu suchen. Unternehmen, die nicht daraufsetzen, in den Suchmaschinen gefunden zu werden und keinen guten Webauftritt haben, verspielen also viel Potenzial.  Wer Suchmaschinen außen vor lässt, begeht einen Kardinalfehler – ganz egal, was er auf TikTok & Co. macht. 

Was rätst du Unternehmen also konkret?Am besten beraten ist man hier mit der 80/20-Regel: 80 Prozent der Aufmerksamkeit des Recruitings, der Ressourcen und des Budgets sollte in Suchmaschinenoptimierung, die eigene Website und einen digitalen Bewerbungsprozess laufen. Mit den restlichen 20 Prozent des Budgets und der Ressourcen kann man noch Social-Media-Kampagnen oder Vor-Ort-Events draufsetzen.  

Vielen Dank für das Interview!

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